Brummfisch

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There Will be Blood

February 15th, 2008 · No Comments

Heute war ich mal regulär und ganz geplant im Kino, nicht in der Sneak, und zwar muss man sich ja langsam für die Oscar-Verleihung vorbereiten, die ja nächsten Sonntag stattfindet (nachdem der Writers’ Strike jetzt vorbei ist). Also waren wir in “There Will be Blood”, wo man ja munkelt, dass der Herr Day-Lewis mal wieder einen Platz auf dem Regal für einen kleinen Goldjungen freiräumen muss.

Und man munkelt vermutlich richtig - ganz großes Kino! Ein großartiger Film. Von der Handlung her passiert eigentlich nicht viel (zumindest nicht auf der Leinwand), es geht grob gesprochen um den Aufstieg (und Fall oder so) des Ölmagnaten Daniel Plainfield, und dessen Beziehung zu seinem Sohn und den Leuten, die seinen Weg kreuzen. Aber der Film vermittelt so viel Atmosphäre und Zwischentöne, dass es einem schwindlig werden kann. Man hat mich ja mal beschuldigt (nämlich nach meiner ablehnenden Haltung zu “Babel”, so viele Kommentare hatte ich noch nie), ich würde halt nur die seichten Filme und die Action-Reißer mögen, und nach den letzten Filmen, die ich so sah, wo mir vor langsamer Künstlerischkeit fast schlecht wurde, hatte ich fast befürchtet, meine Kritiker würden vielleicht recht haben. Ha, nicht so! Dieser Film war nämlich beileibe weder seicht noch enthielt er besonders rasche Action, und von mir kommen nur Lobeshymnen.

Ich möchte hier einen kleinen Exkurs einschieben und diesen Film vergleichen mit zwei anderen Filmen, nämlich a) mit dem “blabla HauptsachderTitelistlangetzettera Coward Robert Ford” (würg) und b) mit “Brokeback Mountain” (yay!). a) hatte, so glaube ich zumindest, den gleichen Anspruch wie “There Will be Blood”, und mit der Inszenierung eine ähnliche Stimmung erzeugen wollen. Seine “künstlerisch wertvollen” Szenen waren aber irgendwie ganz aufdringlich zum Selbstzweck arrangiert (Fischaugen-Kamera, Weizenfeld, Wolkentreiben!!!1ELEVENTY!!!). Thema verfehlt, setzen, sechs - trotz der großartigen Schauspieler ein scheußlich öder Film, fast hätte ich mir vor Langeweile den Arm abgenagt. b) “Brokeback Mountain” hingegen - jetzt mal völlig unabhängig von der Schwulenthematik - hatte ungefähr die gleiche Wirkung wie “There Will be Blood”, es passierte eigentlich “offiziell” wenig, aber unterschwellig um so mehr, man wurde in die Stimmung hineingesaugt und alles passte gut zusammen.

In “There Will be Blood” ist Stimmung groß geschrieben und offensichtlich jede einzelne Szene minutiös geplant. Besonders hervorzuheben: Die Musik ist großartig: Am Anfang passiert eigentlich gar nichts (inklusive 15 Minuten kein Dialog), aber der schräge 12-Ton ähnliche Soundtrack macht einem schon zu diesem Zeitpunkt klar, dass der Filmtitel vermutlich nicht nur zum Spaß da ist. Bis zu der Stelle, an der offiziell Schreckliches passiert, wo die Musik eine 180-Grad-Wendung vollführt und plötzlich schnell und modern wird. Wenn es aber dann um das Innenleben eines Charakters geht, gibt es melancholische Orchestereinlagen, die allen anderen Sound im Keim ersticken. Geschrieben ist der Score wohl von einem Mitglied von Radiohead, und auch dafür würde ich eine kleine goldene Statue für komplett angemessen halten.

Ebenso spitze: die Kamera und Inszenierung. Zu Beginn des Films steigt einem beim kargen Daseinsfristen des Protagonisten als Einzelkämpfer, der mit den Händen im Dreck nach Öl wühlt, schier der Staub in die Nase. Manchmal ist man schmerzhaft nah dabei, wenn jemand mit sich hadert, manchmal sieht man emotionale Momente nur von ganz weit weg. Wenn der Hauptdarsteller mit Hangover aufwacht, ist das Licht so hell, dass man blinzeln muss, und der Sound etwas lauter als normal. Großartig.

Super auch Daniel Day-Lewis, der in fast jeder Szene des Films dabei ist, nämlich als besagter Daniel Plainfield. Wie er bei dem eigentlich fürchterlichen Unsympathen, der arme Leute aufs Kreuz legt und sowieso grundsätzliches Misstrauen gegenüber allem und jedem hat, ab und zu die Menschlichkeit durchblitzen lässt, so dass man den Kerl nicht abgrundtief hasst. Wie er ab und zu eine Augenbraue hochzieht, und man weiß genau, was die Stunde geschlagen hat. Spitzenmäßig.

Ansonsten verblassten die anderen Darsteller ein wenig. Kleine nebensächliche Anmerkung: Im Hinblick auf die Schauspiel-Ensemble-Leistung würde ich tatsächlich trotz allem Genörgel übrigens die Dualität Brad Pitt - Casey Affleck aus dem zuvor genannten “LangerTitelbisderArztkommt” als auch ziemlich gut herausheben wollen, daran hat es ja damals nicht gelegen.

Zurück zu diesem Film: Nur dass kein falscher Eindruck entsteht, es waren auch andere Schauspieler außer Herrn Day-Lewis exzellent, allen voran der schizophrene (?) Wunderprediger als “Gegenspieler” von Herrn Plainview. Wobei das Fragezeichen irgendwie schon auch zeigt, dass einem bei dem Film nicht alles auf einem Silbertablett serviert wurde, man musste sich auch schon mal Gedanken über die Handlung machen. Das finde ich ganz gut, muss einem ja nicht immer alles nochmal im Dialog erklärt werden. Aber nicht so schlimm wie bei “Magnolia”, wo ich spätestens beim Fröscheregen den Herrn Anderson mal beiseitenehmen und ihm zart ins Ohr flüstern wollte “WARUM ZUM HENKER?????”

So. Nach all der Lobhudelei noch leise Kritik: Trotz allem gab es die eine oder andere kleine Länge, ca. 25 Minuten weniger hätten dem Film gut getan. 15 Minuten davon entfallen auf das Ende, das war nämlich teilweise sogar ziemlich blöd mit “Oscar-Overacting” und merkwürdig gestelztem Dialog.

Ich kann dem Film aber trotzdem nicht weniger Punkte geben, wie Frau U. nämlich sagte, war das ein epochales Machwerk, so wie der Pate oder Lawrence von Arabien. Also: 10 Ölfelder von 10 möglichen. Für Leute, die gerne gutes Kino sehen. Also eigentlich für alle. Go see it! Aber Achtung: Keine romantische Comedy erwarten. Aber das sagt einem ja schon der Titel.

Tags: Ein Kino-Mon berichtet

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