Brummfisch

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Derailed

January 28th, 2006 · No Comments

Achtung: Ich werde den Film im Folgenden gnadenlos spoilern, aber erstens hat er’s nicht anders verdient, und zweitens: wer nach 10 Minuten nicht weiß, wie der Film ausgeht, kann das hier vermutlich ohnehin nicht ohne Lexikon lesen.

Neues Spiel, neues Glück, ich in der Sneak. Der Film fängt an, die Jungs neben mir jubeln und hauen die Fäuste im geheimen Geek-Gangzeichen zusammen: Hurra, “Derailed”. Ich hatte zwar noch nie davon gehört, aber wenn Leute ja jubeln, dann hat man wohl 5 Euro und fiddy cent nicht umsonst ausgegeben. Ha, denkste. Mann, Mann, Mann. Wobei I. nach dem Film sagte: “Naja, wenigstens war es kein Kriegsfilm. Die sind immer so laut.” Gut, laut war er nicht, das ist wohl wahr. Bisschen dösen hätte man also schon können.

Zumindest in der ersten Hälfte vom Film. Die war richtig schön entspannend, so wie eine Zen-Meditation. Passieren tat da nämlich wenig, nur die Handlung plätscherte so vor sich hin. Gut, auch die zweite war nicht richtig aufregend, weil man genau wusste, wie alles ausgeht, aber zu dem Zeitpunkt fragte man sich, ob man für 5 Euro fuffzich nicht auch die Wurzelfüllung beim Zahnarzt hätte finanzieren können. Aber schön der Reihe nach.

Das Ganze beginnt im Gefängnis, damit wir uns während des Films ja nicht wundern, ob es sich vielleicht um eine Beziehungskomödie handelt. Solche Flashback-Filme nerven mich immer, weil ich dann ständig denke: “Wann kommt endlich die Szene im Gefängnis?” und “Ist doch eh klar, dass alles im Gefängnis endet”. Wobei “Walk the Line” auch im Gefängnis begann, aber da endet die Parallelle der beiden Filme auch schon wieder. Was ich übrigens auch nicht leiden kann, sind Zwischentitel (”NOVEMBER”), ich bin der Meinung, als guter Regisseur kann man solche Zeitsprünge entweder filmisch darstellen oder es ist nicht wichtig für die Handlung. Dieser Film hatte zwei Zwischentitel (der zweite, neben dem oben bereits erwähnten, war übrigens “DEZEMBER”, wobei direkt anschließend eine der handelnden Personen sagt: “Vor VIER WOCHEN” - q.e.d.). Aber die Zwischentitel wollen wir jetzt mal locker beiseite lassen, die waren das geringste Problem, das ich mit dem Film hatte.

Ansonsten war aber die Handlung total originell. Noch nie hat man sowas gesehen: Clive Owen will seine Frau (und das diabeteskranke Kind - tragisch - drei Nieren per Dialyse verheizt!) mit Jennifer Aniston betrügen, die ihm im Zug aufreizend die schwarzbestrumpften Beine unter die Nase gehalten hat. Nun hat Clive aber leider nicht “Unfaithful” gesehen und denkt nicht drüber nach, was da alles passieren kann. Bis dahin sind übrigens mindestens zwei gefühlte Stunden vergangen. Meditativ, wie gesagt.

Dann geht’s los mit der Action (wir müssen ja irgendwie im Gefängnis ankommen): Beide also in ein zwielichtiges Motel, wo sie überfallen werden. Anschließend ruft der böse Ãœbeltäter, der auch noch Franzose ist, ständig bei Clive an und will Geld. Und Clive zahlt natürlich ordentlich was Kohle, die eigentlich für TOTAL EXPERIMENTELLE Medikamente gedacht war, die das diabeteskranke Kind (tragisch!! Dialyse!!!) heilen können. Weil er nicht zugeben will, dass er mit Jennifer im Hotel war. Andererseits hat er aber auch nicht drüber nachgedacht, warum so ein superschlauer Erpresser, der ständig massig Kohle von Leuten abzockt, es nötig hat, andere Leute in schnöden Motels zu überfallen. Und warum der Erpresser scheinbar Jennifer nicht anruft. Hmmmm?

Solche Ãœberlegungen halten mich natürlich dann leider doch vom Schönheitsschlaf ab, K. neben mir jedoch nicht davon, das Mobiliar in verschiedenen Szenen zu begutachten: “Guck mal, die Lampe in seiner Wohnung ist voll attraktiv.” Mir war nur der Stuhl in Frau Anistons Wohnung aufgefallen. Schön, schön. War aber gar nicht ihre Wohnung. Und Frau Aniston - wer es nicht ahnt, ist ein faules Ei - ist gar nicht Frau Aniston, sondern eine Trickbetrügerin und mit dem Franzosen im Bunde. Zut alors! Da hilft es auch nix, dass Herr Owen den Postboten anheuert, für 10.000 Dollar den Erpresser um die Ecke zu bringen. Klar, wer spitzenmäßig als Auftragskiller fungiert, der schiebt gerne den Mail-Karren in Firmen umher. Da hat der Herr Owen wieder mal nicht nachgedacht. Wir aber schon und können deshalb immer noch nicht gut schlafen.

Die Handlung wurstet also so vertrackt eine Weile vor sich hin, mal wird der Postbote gekillt, mal schiebt der Herr Owen ganz unsubtil ein Plastikmesser ein, das der Postbote früher genutzt hat, um im GEFÄNGNIS einen UM DIE ECKE ZU BRINGEN. Nachtigall, ick hör dir Holzschuh tanzen. Jedenfalls gibt es irgendwann wilde Schießerei, alle sind tot, bis auf den Franzosen. ODER ETWA NICHT??? Naja, ihr denkt euch schon, wie es kommen muss, wir haben ja schon am Anfang gesehen, dass da noch ein Gefängnis im Spiel sein muss.

Ich lasse es an euch, den Schluss des Films selbst zu eruieren und beweine stattdessen die Nebenrolle von Herrn Morissey - war er wirklich so jung und brauchte das Geld, nach seiner grandiosen Hauptrolle in Viva Blackpool?? Ich flehe euch an, wenn euch die 5 Euro 50 oder was heutzutage eine Kinokarte kostet, ein Loch in den Mantel brennen, leiht euch doch um Himmelswillen die “Blackpool”-DVD aus, bevor ihr euch “Derailed” antut.

Für Freunde des klischeehaften Dialogs und von Jennifer Anistons Brüsten. Nix für Leute, die die Handlung eines Films nicht nach fünf Minuten den Broadway herunterkommen sehen wollen. 0 Punkte von 10 möglichen, und wenn euch die “Spiegel”-Kritik (oder wer auch immer) ein “spannendes Beziehungsdrama” vorgaukeln will, so glaubt ihr nicht, das Einzige, was im Kino entgleisen wird, sind eure Gesichtszüge.

Tags: Ein Kino-Mon berichtet

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