Brummfisch

I fish, therefore I brumm.

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Bundesvision Song Contest

February 9th, 2006 · 5 Comments

Weil wir uns über Schnelldurchläufe mit Endziffern freuen können, egal welcher Art der Contest ist, sitzen wir auch heute wieder gespannt auf der Couch, essen Eis und Brausestäbchen und ertragen die Moderation von Stefan Raab und einer blonden Bratze, die wir nicht wirklich zuordnen können (”Ist das die Blonde, die immer bei den Pro7-Shows dabei ist?” - “Keine Ahnung, wahrscheinlich macht die Comedy.”)

Von den meisten Bands, die am Contest teilnehmen, haben wir noch nie etwas gehört, aber wir lassen uns ja immer gern positiv überraschen und halten ein offenes Ohr auf.

Beim ersten Beitrag müssen wir unser Ohr allerdings gleich wieder zuklappen. Die Mädchenband AK4711 spielt auf, dass die Gehörgänge winseln und um Gnade flehen (woran die Tonsteuerung zwar nicht ganz unschuldig ist, aber die Stimme der Sängerin erinnert uns an Nina Hagen). Wir sind uns außerdem einig: wer nicht “Mädchenband” genannt werden will, darf keine Accessoires in pink tragen.

Der zweite Beitrag: Die kleine Marion möchte in der Kinderabteilung abgeholt werden. Oh, nein, wir haben das Schild falsch gelesen: es handelt sich um Marlon, den ich für den Sohn von Udo Lindenberg halte, was er vermutlich nicht ist. Der Marlon schmelzt ins Mikrofon und geht für Peter Maffay über mindestens sieben Brücken, dazu tanzen romantisch drei kleine Ballerinas und alle Mädels der Republik speichern schniefend die Kurzwahl ins Mobiltelefon.

Anschließend Reminder aus dem schönen Saarland, die ihren Namen gut gewählt haben, denn bei jedem Schnelldurchgang sagen wir: “Mensch, die hab ich völlig vergessen!” Belangloser Durchschnitts-wir-singen-Deutsch-das-aber-schlecht aus dem Osten der Republik. Wer nochmal?

Aber schon werden die Massiven Töne angekündigt und sind in ihrem Interview so extrem schwäbisch unwitzig, dass wir beschließen, für die auf keinen Fall zu stimmen. Nein, für die nicht. Für alle, aber nicht für die. Leider ist das Lied der Töne super, hip-hoppig und geht am Ende in eine flotte Swing-Nummer und gleichzeitig ins Ohr. Die Finger bewegen sich zum Telefon und zur Kurzwahl. Nein, nicht für die Pappnasen! Wird schon noch was kommen, was uns besser gefällt. Man ist ja erst beim vierten Beitrag.

Der fünfte Beitrag ist auch viel besser … allerdings leider nicht im tonalen Sinn, sondern besser als eine Dosis Baldrian kurz vor Mitternacht. Toni Kater schnarcht sich im Fechtanzug durch eine Gurken-Nummer. Wir finden, dass Fechtanzüge einen schlanken Fuß machen, dass man sich aber nicht Toni Kater nennen sollte, wenn man mit Sicherheit Sonja Schmidt oder so ähnlich heißt.

Der nächste Beitrag lässt uns allerdings Toni Kater nachtrauern. In Extremo versuchen Rammstein nachzuahmen, und haben zu diesem Zweck einen wahnsinnigen lippenstiftbewehrten Mönch mit Harfe, einen dreckbeschmierten Sänger mit Laute und einen kleinen ängstlichen Dudelsackspieler mitgebracht. Der Mönch des Grauens ist nicht wirklich so unsere Sache und wir wünschen uns das Bier, das die Band vorher vermutlich konsumiert hat, lieber in Euro ausbezahlt.

Anschließend wollen 200Sachen “Sekt zum Frühstück” - wenn ich so singen würde, müsste ich auch zum Frühstück schon saufen. Eine Barbie mit abgezirkeltem Pony quäkt ins Mikro, dass mir der Verdacht kommt, Singen wäre nicht das Hauptkriterium, das heutzutage für die Gründung einer Band benötigt wird. Je weniger man über das Lied sagt, desto besser, ich möchte also an dieser Stelle meine Freundin Jule grüßen, die mal eine Band hatte “Frühstück um halb drei” (oder war es um halb vier?), und an die wir uns deshalb hier spontan titelmäßig erinnern.

Die Raketen singen mit grauenvollem Englisch “This is not a pop song”. Was es allerdings ist, wollen sie uns nicht verraten, es hört sich ein bisschen an, als wenn jemand einen Kraftwerk-Song rückwärts abspielt. Anschließend treten sie noch die Deko um - S. hält mich zurück, den Fernseher gleich mit umzutreten. Ich habe jetzt immerhin einen Vertreter für den letzten Platz.

Danach kann Diane aus Brandenburg eigentlich ohnehin nur gewinnen - wobei sie aber bei uns auch durch freundliches Understatement, durch gemütliche Bühnendeko und 1a Gitarrenbegleitung punktet. Wir parken sie hinter den Massiven Tönen also auf Platz 2.

Jetzt aber holen wir die bayrischen Fähnchen raus und machen uns bereit zum Anfeuern: unser Beitrag! Der Peter hat die Sportfreunde zu Hause gelassen, statt dessen offensichtlich einen Pseudo-Russen eingepackt und nennt sich für den Abend tiptop. Der Anfang ist schon mal schön, lustiger Rhythmus und steppende Mädels auf der Bühne … kaum fangen die beiden Pseudo-Poser aber an zu “singen”, müssen wir schamesrot das Fähnchen wieder einpacken und unsere Bundeslandnationalität abgeben. Grauenhaft! Die Raketen fliegen wie an Silvester vom letzten Platz, wenigstens haben sie sich ein wenig Mühe gegeben und keinen Popsong komponiert, während die tiptop-Nasen so tun, als wären sie Trio, den Text mit größter Anstrengung vom Teleprompter ablesen und offensichtlich keinen Bock auf Auftritt haben - das Leben als Popstar ist hart, aber wenigstens kann man koksen und fett die Kohle einstreichen. Denk an die Tage, als du noch im Atomic Café Flaschen eingesammelt hast, Peter.

Die nächsten Teilnehmer erhalten von uns sogleich Punktabzug wegen üblen Wortspiels: TempEau besteht aus alten Mitgliedern von Selig (”alt” hier durchaus im wörtlichen Sinne gemeint) und dem Bruder von Fabian Harloff. Wir können uns auch nicht auf ihr Lied konzentrieren, denn sie haben crazy Hasen und Chucky, die Monsterpuppe mitgebracht, die uns in der Bühnenperformance so viel Angst einjagen, dass wir vor Zittern diese Nummer sicher nicht wählen werden.

Langsam kriegen wir Angst - viele Teilnehmer haben wir nicht mehr … ob wir wohl doch die Massiven Töne wählen müssen? Der Beitrag aus Hamburg rockt auch nicht wirklich: Ole(olé) Soul hat sein Herz irgendwo zwischen Hamburg und Cologne verloren, aber doch die Liebe dort wiedergefunden. Ich fordere wieder Punktabzug wegen blöden Titels ein, S. versteht nicht, warum. Als ich daraufhin bemängle, dass man ja dann “Hamburg” auch “Hämburg” aussprechen müsste, stellt sich heraus, dass S. “Collo” für eine Stadt in Italien gehalten hat (wo man ja mal sein Herz verlieren kann). Der Punktabzug wird daraufhin genehmigt, das Lied geht irgendwie loungig ins Ohr, erinnert aber leider an Xaver, den Naidoo und hat bei mir darob ohnehin verloren.

Auch beim nächsten Beitrag haben wir kein Glück. Bei dem Pseudo-Bling-Bling-Auftritt der ca. 12-jährigen krassen Rapperin Pyranja (Punktabzug!) erinnern wir uns an viel bessere Dinge und wünschen uns aus ganzem Herzen statt der tiptop-Fritzen als Lokalmatadoren FivaMC her - die können das nämlich ungleich viel besser. Free-Styla!

Revolverheld aus Bremen erinnern uns an Reminder (an wen?) - der Sänger sieht ganz gut aus, hat auch eine ganz passable Stimme, aber so richtig prägnant erscheint uns die Schose nicht.

Vorletzter Beitrag. Die Schweißperlen stehen auf der Stirn. Werden wir doch noch den blöden Schwaben zum Sieg verhelfen müssen? Nadja Benaissa (Ex - No Angel) hält uns mit einer lahmen Soul-Nummer und einem genau so wenig ausdrucksvollem hautfarbenen Kleid nicht wirklich in Atem. Punktabzug für S., die sich über Nadja “Be nicer” amüsiert.

Nach einer kurzen Debatte über die Anzahl der “e” in Seeed ist es auch schon so weit: Der letzte Beitrag naht mit Riesenschritten. Nägelkauend verfolgen wir die “Dickes B” Ethno-Bob-Marleys beim Weg auf die Bühne: das satinrote Matador-Outfit verheißt nichts Gutes. Doch dann: schwingender Bass, der Kopf nickt zum Rhythmus und wir jubeln: Berlin hat es gepackt! Auch der Text erfreut uns - zwar nicht ob seiner Goetheschen Lyrik, aber wer würde das nicht gerne vortragen:

ooh du hübsches ding
ich versteck meinen ehering
klingelingeling wir könntens bring
doch wir nuckeln nur am ding
ooh du hübsches ding
du bist queen und ich bin king
wenn ich dich seh dann muss ich sing’

Wer Ding auf sing reimt, der hat für uns die Krone schon verdient! Wobei wir immer noch die Massiven Töne nicht ganz achtlos beiseite schieben würden - aber leider haben wir vor lauter Singen inzwischen die Telefonabstimmung verpasst und müssen nun zusehen, wie unwitzige Radiomoderatoren (unattraktiv zu attribuieren wäre bei Radiomoderator ohnehin ein Oxymoron) ihrem eigenen Bundesland jeweils douze poing verleihen. Abwarten und Teetrinken heißt es hier - den Sieger werde ich an dieser Stelle bald bekannt geben.

And the winner is … Seeed aus Berlin. Na, bitte. Und wir schwofen mit den moppeligen Tanzmäuschen in den Abend. Dingelingeling.

Tags: Gelaber

5 responses so far ↓

  • 1 SingleMama // Feb 10, 2006 at 12:16 am

    Nach TipTop habe ich den Fernseher in den Garten geworfen, vorher hatte ich zwischen “Schillerstraße” und Pro7 ständig herumgezappt (wäre ich doch ganz bei SAT1 geblieben) … was für ein Scheiß … aber hauptsache, der Herr Raab hat seine Kohle mal wieder im Sack.

  • 2 danii // Feb 10, 2006 at 10:11 am

    der “pseude-russe” is übrigens der bruder von peter :). und ich muß gestehen: diane war die einzige die wirklich schön gesungen hat, tiptop hab ich halt aus “landesdings” gewählt, seeed ist der verdiente sieger, aber mit so vielen nullnummern zwischen langweiliger musik ist das keine wirklich große tat! und ole soul klang für mich ausgesprochen immer nach “ohne soul” und die nummer von dem war unglaublich fad. *gähn*
    die bratze ist glaub ich viva-moderatorin. oder mtv? na, egal. alles das gleiche.

  • 3 das tier // Feb 10, 2006 at 11:51 am

    wunderbare zusammenfassung!
    da habe ich ja nichts verpasst und gut daran getan, mir die cardigans kostenlos bei mir um die ecke anzusehen.
    hach ja …
    :)

  • 4 ulisch // Feb 10, 2006 at 5:23 pm

    Wat soll ich sagen?! Habe den letzten Rest der dümmlichen Punktevergabe gesehen. Fand die Radiomoderatoren waren ziemlich unerträglich (”Haaaalllooo Stefan, haaaallloooo Bratze, haaaallloooo Wetzlar, die Stimmung hier ist super” Ja is gut, weiter wir haben keine Zeit) und wenn Seeed auch eurer Meinung nach das Beste war, dann ist das alles schon recht traurig. Tiptop hatte ich schon am Tag vorher gesehen/gehört auch da gottseidank nur kurz das Ende. Wir warten gespannt auf den Eurovision Songcontest wo wenigstens wieder fellbekleidete Letten oder so was auf der Bühne hüppen….

  • 5 einmon // Feb 10, 2006 at 9:42 pm

    @danii: ja, ich war wirklich froh, dass mit der Diane mal wirklich jemand singen konnte, mich nervt das, wenn Leute einfach nur unmelodisch ihren Einkaufszettel zu NDW-Rhythmen ins Mikro brüllen.
    @tier: definitiv die Cardigans, gar keine Frage!!!
    @ulisch: wenn es wieder heißt, Allemagne zero poing

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