Brummfisch

Nach dem Beginn des Tages mit Langeweilelauf fuhr ich dann zu meinen Eltern, um dort meiner Tantenpflichten Genüge zu tun. Auf der Autobahn drehte ich dann, der stetigen “Hits der 20er, 30er, 40er, 50er, 60er, 70er, 80er, 90er, des neuen Jahrtausends und ALLER ZUKÃœNFTIGER JAHRE”-Jingle müde, am Radio und fand den Klassik-Sender. Fröhlich mitschwingend freute ich mich dann wieder, dass wir Mozartjahr haben, denn ich höre ganz gerne mal Mozart, das hebt meine Laune, wenn ich über die Autobahn düse (wobei man aufpassen muss, weil Mozarts fröhliche Violinen eine ähnliche Wirkung haben wie ordentliche Rock-Rhythmen und man unwillkürlich aufs Gaspedal tritt).

Aber das darf man ja nur ganz leise sagen: Ich mag Mozart eigentlich ganz gern, denn das ist unter Klassik-Aficionados so ähnlich, als wenn man in einem Raum voll grungigen Indie-Hörern lauthals verkündet: “Och, die neue Britney Spears ist gar nicht so schlecht!”. Da werden die Operngläser indigniert an die Augen gehoben, da wendet sich der Raum voll Grausen vom gutgläubigen Mainstream-Opfer ab. Mozart?? Das kann nur ein Musikbanause sagen, der noch nie die Schönheit der Dodekaphonie zu schätzen wusste, der die Erhabenheit von 4′33” intellektuell nicht wirklich erfassen kann. Da lächelt der Insider nur müde und holt entspannt seine CD von “42 Gabeln kratzen über eine Wand” hervor - man hat es doch nicht nötig, sich dem Massengeschmack anzupassen: dazu ist man nicht in zahllosen Warteschleifen von multiplen Wiederholungen von “Eine kleine Nachtmusik” gequält worden.

Wiewohl ich das Argument mit der Warteschleife wohl nachvollziehen kann, sehe ich nicht ganz ein, dass die einzige Musik, die hörenswert sein soll, diejenige sein soll, die einem Löcher in die Gehörgänge brennt. Vielleicht bin ich grade mal in der Stimmung für fröhliche Violinen. Oder für “Toxic”. Klar, wenn man stets hingeht und sich “Dream Dance XVI” oder “Mozart Time mit den Paldauer Volksbuben” kauft, bloß weil es wieder mal in der McDonald’s Chart Show auf RTLII oder vom Florian Silbereisen angepriesen wurde, dann zeugt das nicht unbedingt von großem Musikgeschmack. (Wenn man Dream Dance kauft, weil man 40 Grad Fieber hatte und im Wahn das für eine gute Idee hielt, sieht die Sache vielleicht anders aus). Aber jemand, der grundsätzlich die Nase hoch trägt und sich etwas nicht anhört, bloß weil es in den Charts ist, lässt sich seinen Musikgeschmack doch genau so vom Mainstream diktieren, wie die zuvor erwähnte Pappnase (bzw. Pappohr).

Vielleicht bin ich da aber heuchlerisch, denn auch bei mir gibt es eine Grenze: ich ziehe die nämlich zum Beispiel bei den Vengaboys - wer eine Vengaboys-CD gekauft hat, der hat sie meiner Meinung nach einfach nicht mehr alle. Also eigentlich alle diese komischen Party-Hits. Dass man mal irgendwo total besoffen rumhängt und nach dem 25. Tequila den neuesten Mallorca-Knaller voll knorke findet, kann ja mal passieren, aber um eine CD zu kaufen, muss man ja meist so nüchtern sein, dass man noch den Geldbeutel in der Tasche findet. Das ist also schwer zu verargumentieren, auch wenn es natürlich sein kann, dass man so eine Mix-CD kauft, weil da ein Jovanotti-Lied drauf ist, das man gut findet, und weil man zum drauffolgenden DJ-Bobo-Hit eine 1a DJ-Bobo-Impression auf das Parkett legen kann. Jetzt rein hypothetisch natürlich.

Aber zurück zu Mozart: Für manche mag er vielleicht der Vengaboy unter den Klassikern sein, aber ich zum Beispiel sehe mir auch deshalb gerne den Anfang von “Trading Places” an, weil da die Ouvertüre von “La nozze di Figaro” unterlegt ist und meine Laune sich schlagartig bessert, wenn ich dieses Stück höre. Und wer mich erst mal virtuos die Arie der Königin der Nacht beim Putzen hat vortragen hören: “Der HÖÖÖÖÖllle RAACHE kocht in maainem HÄÄÄÄRzen”, der sieht Mozart unter atonalen Gesichtspunkten sicherlich völlig anders.