Brummfisch

I fish, therefore I brumm.

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Equus

June 6th, 2007 · 1 Comment

Erstmal vorneweg: Völlig unabhängig vom Bekleidungsstand des Herrn Radcliffe - wenn alle Theaterstücke so wären wie Equus, müsste ich hier vermutlich eine neue Rubrik einrichten. Ganz großes Kino, eins der besten Stücke, die ich je gesehen habe!

Dabei hasse ich Theater eigentlich wie die Pest, insbesondere deutsche Aufführungen, bei denen die Schauspieler sich oft so anhören, als hätten sie einen Kleinen Hey gefrühstückt, und deklamieren, dass die Spucke auch noch beim Zuschauer in der letzten Reihe ankommt. Dazu gerne mal noch eine Inszenierung, die vom ursprünglichen Stück nur noch Fragmente übrig lässt oder es wunderbar modernisiert, so dass die Akteure Skistiefel tragen oder in einem großen Spinnennetz klettern (gut, das Stück hieß “Hamlet 3000″, da hätte man sich sowas schon denken können). Haltet mich zurück oder ich erwähne wieder mal die Operninszenierung mit dem Parsifal, der Grasbüschel auf dem Kopf hatte und sich mit einer Liane über die Bühne schwang. Ups, zu spät. Meistens sind auch noch irgendwelche Körperflüssigkeiten involviert, und dann reicht’s mir auch schon wieder mit dem Theater.

Nicht so bei Equus. Erstmal fand ich das Stück selbst fantastisch (wer die Handlung gerne mal nachlesen will, kann hier klicken) - gerade aus meiner professionellen Psychologen-Warte ist die Thematik, in wie weit man tatsächlich Patienten heilen kann, oder nur an ihnen herumdoktort, und wo der Wahnsinn aufhört und die Kreativität anfängt, ziemlich interessant.

Dann die Inszenierung: Großartig. Da weiß man, warum man in London ins Theater geht und nicht in den Komödienstadel von Hinterampfing. Mein Programm sagte, man habe die Inszenierung von vor 15 Jahren eigentlich beibehalten, und da hat man wohl gut daran getan. Ein ganz minimalistisches Bühnenbild mit maximalem Effekt eingesetzt: schwarze Blöcke, die als Sofa, als Schreibtisch, als Strand, als Strohballen dienen, die Bühne verändert sich durch den Körpereinsatz der Schauspieler und das exzellente Lichtdesign. Am Licht waren dabei die Tageszeit der Handlung zu erkennen, der Ort, sowie die Gemütsverfassung der Charaktere bzw. die wechselnden Bewusstseinsebenen…der schiere Wahnsinn (no pun intended).

Und last but not least auch die Schauspieler. Erst mal Richard Griffiths, der (ganz ohne die Hilfe des Kleinen Hey) den Psychiater mit einer Nonchalance gibt, dass man das Gefühl hat, man sei live bei einer Vorlesung dabei (unterstützt vom Bühnenbild, das die Zuschauer auf der Balustrade als Zuhörer für den Psychiater integriert), und der dabei die wechselnden Ebenen des Stücks stets im Griff hat, super.

Aber auch Hut ab vor dem kleinen Herrn Radcliffe, denn abgesehen von der Nacktheit ist die seine eine äußerst schwierige Rolle, und der Grat zwischen Emotion und Lächerlichkeit ziemlich schmal - gerade wenn man den Harry Potter im Handgepäck mit sich herumträgt. Ich meine, machen wir uns nix vor: Deshalb ist das Theater jeden Tag brechend voll und kleine Mädchen weinen im Publikum, aber es hilft auch nicht, wenn man dann unbekleidet auf der Bühne den Nervenzusammenbruch simulieren muss. Und der Herr Radcliffe nimmt sich der Rolle mit viel Gefühl, aber gleichzeitig vorsichtiger Zurückhaltung an, so dass die kleinen Mädchen am Schluss wegen der Thematik weinen (so war es zumindest beim Rausgehen zu hören) und nicht mehr, weil sie Harry Potters dangly bits erspähen konnten.

Also alles in allem eine exzellente Investition in meine kulturelle Bildung, 3 äußerst unterhaltsame Stunden, und ich würde es euch rückhaltlos empfehlen, aber leider ist alles am Freitag vorbei, das könnte knapp werden.

Tags: Gelaber

1 response so far ↓

  • 1 polly // Jun 8, 2007 at 9:56 am

    also doch nicht die augen zugehalten? :D

    mensch hast du ein glück mit zufällig ausgewähltem theater!
    aber ich weiß nicht, ob ich mir das angeschaut hätte, was die da mit den pferden laut inhaltsangabe machen…brrr… da lob ich mir lieber den hidalgo mit “keiner tut meinem pferd was!”-mortensen.

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